Ein zugegebenermaßen sehr langes, aber auch sehr lohnendes Interview mit Susanne Maria Öhlschläger von Finde deine Spur
Harmonisch klimpert das Eis, das wahlweise an Bambus oder Glas schlägt, während es gemächlich eine orangerote See durchschifft.
Unter einem quietschblauen Sonnenschirm sitzen drei Omas, die ihr vielleicht schon kennt, sie heißen Wally, Holly und Mary. Und noch eine vierte Frau sitzt da. Susanne Öhlschläger heißt die. Und die verbreitet Aloha in Wien.
Aloha, Hawaii, Wale und Hirschen und was die alle mit LomiLomi zu tun haben, das wollen die Omas herausfinden und haben deswegen beschlossen, sie zum Interview zu bitten. Natürlich in angenehmem Ambiente.
Was hört man noch? Die Brandung, die an die Kaimauer schlägt, ohne aufdringlich zu sein, denn sie weiß zum einen von Oma Marys Hörproblemen, zum anderen würde sie gerne das Gespräch mithören, das die Omas da jetzt gleich anzetteln. Da, gleich geht es los!
Der Kellner mit dem knackigen Hintern, dem alle vier nachschauen, kredenzt gerade den doppelten Espresso, der eigentlich ein vierfacher ist, an die Frau, die so lustig und ein wenig schelmisch zwischen ihrer blonden Mähne hervorlacht.
Wally: Oh, liebe Susanne, so was haben wir ja ausgemacht, ne, dass wir uns einfach so zusammensetzen und einfach ein wenig ratschen.
Währenddessen stellt der Kellner schwingvoll ein Glas mit Selleriewasser vor Oma Holly, die daraufhin einen (sehr) schrägen Blick von ihren Schwestern erntet.
Holly: Ich find das irre mit dem Selleriewasser, weil ich ja die Hitz überhaupt nicht vertrag.
Susanne: Ja, ja, es gibt mehrere solche Selleriekuren, ich hab da in meinem Wechsel immer Chrysanthementee getrunken, der kühlt auch super. Einfach die Blüten gekocht und dann auskühlen lassen. Und ich muss ehrlich sagen, für mich war heuer nach zehn Jahren DER Sommer, der NUR heiß war. Irgendwann hab ich's geschnallt und hab mir gedacht, irgendwas ist anders, aber das ist sehr schön.
Verträumte Blicke der erinnerten Erleichterung gehen an den Sonnenschirmhimmel, denn jede weiß, wovon Susanne da redet …
Wally: Liebe Susanne, Schreibfreundin, ich wüsste gerne von dir, wie startest du deinen Tag? Also das ist ja der Tag, der dir gehört heute, wie würdest du den starten, wenn du nicht mit uns am Meer sitzen würdest?
Susanne: Im Grunde ziemlich ähnlich. Wenn ich nicht eine so ganz exquisite magische Kompanie hätte, dann beginne ich ihn so, als hätte ich ganz exquisite magische Kompanie.
Ich bin viel draußen, sitze mit meinem Kaffee gern heraus und ja, entweder ich lese was oder ich schreibe was oder ich schaue Löcher in die Luft.
Alle schauen in dieselbe, die gerade von unzähligen Löchern okkupiert wird, die eindeutig aus Marys Pfeife stammen.
Sie atmen ein. Sie atmen aaaaaauuuuus. Das Meer nutzt den Moment und schlägt mal wieder an die Mauer. Und läuft gluggernd zurück.
Also so dieses Grundgefühl kommen lassen, was kommen will, weißt du, so ohne Zeitdruck, ohne irgendwelche Intentionen, einfach so. Wie sagst du immer so lieb, ein wenig blöd schauen – in die Gegend schauen, sich wahrnehmen und auch wahrnehmen, was heute ist und was ich brauche. Das ist eine tägliche Übung von mir geworden.
Nimm zum Beispiel heute. Heute ist Sonntag, heute habe ich frei, heut kann ich dieses „was brauch ich?“ sehr egoistisch positiv nährend für mich einfach nehmen. Will ich lesen? Will in der Erde rumwurschteln oder will ich meinen Kasten aufräumen oder so in der Richtung? Oder brauche ich Ruhe oder auch irgendein Hörbuch? Ich gebe dieser Faulheit oder dieser Leichtigkeit einfach eine Chance durchzukommen, weil irgendwas ist immer zu tun.
Alle erheben ihre Gläser und stoßen auf die Leichtigkeit an und wünschen ihr jede Menge dieser Chancen, durchzukommen.
Mittlerweile hat Geena, die hinter den Omas gesessen hatte, um nicht aufzufallen, sich umgedreht, das mit der „Chance für die Faulheit“ hat sie wohl gehört.
Geena: Und wenn du in die Arbeit gehst, wie schaut es da aus mit der Antwort auf die Frage „was brauche ich heute“?
Susanne: Dann ist sie umso wichtiger! Weil eben dauernd irgendwas ist. Und dann denk ich mir, OK, wenn halt der Tag von den äußeren Vorgaben her also total vollgepfercht ist, gell, dann mach ich es zum Beispiel so, wie in der letzten Woche. Da bin ich ganz bewusst am Vormittag kurz rausgegangen, hab was besorgt und hab mich in ein Kaffeehaus gesetzt. Viertelstunde Pause. Aber woanders, als im gewohnten Rahmen, weil da kommst du nicht zur Ruhe.
Auf dem bisher blauen Himmel bauschen sich weiße Wolken auf, bilden Staus, drängeln, verformen sich, werden zu überfüllten Straßen und eilenden Menschenmassen, wie sie täglich in den großen Städten üblich sind. Und um das ganze perfekt zu machen, weht vom Fischbrötchenstand auch ein starker Wind aus Zwiebelduft herüber.
Schließlich streckt Susanne die Hand nach oben, tut so, als würde sie ihre große Sonnenbrille auf der Stirn zurechtrücken, während sie in Wirklichkeit das Bild vom Himmel wischt.
Also das ist eines der Learnings aus all den Jahren: Am besten zur Ruhe kommt man immer dann, wenn man einen klaren Ortswechsel macht. Das muss jetzt nicht immer die große Reise sein, das können auch die drei Schritte in den nächsten Park sein oder aber dieses bewusste aus der Situation Rausgehen. Sonst kommst du aus dem altbekannten Hamsterrad im Kopf nicht aus. Das betest du dir zwar dann vor, ja, ich sollte, ich müsste und was weiß ich was noch alles, aber du bleibst dort und machst weiter.
Einatmen, ausatmen, nach oben sehen. Löcher in die Luft gucken.
Den Rauchwolken aus Marys Pfeife hat das, was ihre großen Schwestern da gemacht haben, scheinbar gefallen. Und wie kleine Geschwister eben so sind, sie machen den Großen alles nach. Unter dem blauen Dach des Sonnenschirms wachsen Palmen, darunter eine Insel, das Meer und schließlich ein Vulkan, der – also, diese Miniwolken sind zwar noch klein, aber schon ganz schön oho! – naja, kein Feuer, aber eine fette Rauchschwade spuckt.
Alle fünf klatschen brav und wirklich beeindruckt Applaus.
Mary: Wo ist das?
Sie deutet mit dem Pfeifenstiel auf das eben entstandene Bild, steckt ihn aber gleich wieder ein und kaut nachdenklich darauf herum.
Holly: Da fällt mir was ein. Bietest du nicht auch so eine kleine Auszeit an? Oder sollte man das dann besser Aus-Raum nennen?
Susanne: Diese räumliche Auszeit? Ja. Und das ist nötig und funktioniert ganz gut. Zuersteinmal musst du ja deinen physischen Körper zu mir in die Praxis tragen. Und damit ist einmal der erste Schritt schon getan, nämlich die bewusste Entscheidung, dir jetzt Zeit für dich zu nehmen. Und dadurch, dass wer auch immer in diesen Raum reinkommt und dann länger da ist, spürt er es dann. In diesem Raum findet einfach nur sowas statt, da gibt es keine Hektik, die ganze Palette an Müssen und Wollen ist da drinnen eigentlich ausgeklammert und das macht dann einfach eine andere Grundenergie. Da gibt es nichts zu tun, außer zu sein. Und das gilt natürlich für mich genauso, weil wann immer ich dorthin komme, dann will ich ja in der gleichen Energie sein und darum ist mir das selber auch so wichtig. Immer wieder.
Mary: Jetzt hab ich’s! Es ist Hawaii. Und es mag dich.
Sie deutet mit dem spitzen Mundstück genau dahin, wo’s sitzt, im Herzen.
Susanne: Ich habe die Zeit dort in meinen Urlaub immer genutzt, um auf Hawaii LomiLomi zu lernen. Ich hab dort Kurse gemacht, ich hab bei schamanischen Kursen teilgenommen, also ich hab mehrere Ebenen der hawaiianischen Kultur im Schulungsrhythmus kennengelernt, aber auch im Lebensrhythmus. Diese Körperbehandlung kommt nun einmal von dort und ich hab mich dort auch selber sehr oft massieren lassen von unterschiedlichen Menschen in unterschiedlichen Stilen, einfach um zu spüren, welche Facetten das Ganze hat. Und ja (sie sieht die Wolkenformation am Sonnenschirmhimmel liebevoll an), bei meinen Behandlungen ist ein Stück von Hawaii natürlich mit mir dabei.
Die LomiLomi hat eine sehr starke Verbindung mit den örtlichen Energien im positiven Sinne, also Verbindung mit der Natur, Verbindung mit den Elementen. Wenn ich mit der Behandlung starte, dann stehe ich sowohl in Wien, aber auch auf Hawaii. Einfach als Wertschätzung auch für die Menschen, von denen ich lernen durfte. Die Verbindung mit den Ahnen, wie sie es immer nennen, mit der Linie, auch in der Ausbildung.
Vor dem Sonnenschirm der Omas breitet gerade eine junge, blondgelockte Frau ihr Handtuch aus und versucht, auf den schroffen Felsen zu klettern, der hier die Kaimauer ersetzt, was nicht ganz einfach zu sein scheint. Schade, dass du grad nicht hier bist, dann könntest du sehen, wie gleichzeitig vier Köpfe nach links fallen, um besser sehen zu können.
Endlich sitzt sie und es muss fürchterlich im Hintern pieken, weil der Stein so spitz ist, und holt ihr Handy raus und wischt drauf rum.
In Hawaii gibt es den Ausspruch, dass du dann praktizieren darfst, wenn deine Schüler dich dazu auffordern oder deine Lehrer einfach sagen: Ja, du brauchst nicht mehr fragen.
Es ist ein „mach's einfach“, das ist keine Abhakliste, wo man das und das und das und das noch tut und das und das, weil es geht ja nicht nur darum, dass man die Massage beherrscht oder das macht. Ich habe auf Hawaii sehr, sehr intensiv erlebt, dass die Menschen, die dir das zeigen, dich beobachten, wie du dich dann außerhalb der Stunde verhaltest, wie du dich in der Gemeinschaft verhaltest. Wie du mit Menschen umgehst oder wie du in der Früh einer kommst, bist geklärt oder schiebst einen Grant vor dir her. Weißt du so, die spüren diese Energien. Der Beginn für mich von Lomi war natürlich ein komplettes Aufräumen in mir, in meinem Familiensystem, ohne dass ich das jetzt bewusst angesteuert hätte, das ist ein Teil davon.
Und dann ist da die Verbindung mit Hawaii und natürlich auch mit meinen beiden Freundinnen dort, die Musikerinnen und spirituelle Lehrerinnen sind. Es ist einfach eine ganz starke Verbindung, aber nicht eine Verbindung, wie wir oft Verbindungen sehen. Die fordert, wo du weiß Gott was alles tun oder leisten musst. Das ist so ein freies Miteinander Sein. Das hat mich von Anfang an sehr fasziniert, muss ich sagen.
Das heißt nicht, dass das immer nur schöne Dinge waren. Sondern gleichermaßen auch der Umgang mit Trauer, mit Todesfällen, mit Krankheit. Es passiert ja dort genauso. Auch die Lebensumstände sind absolut nicht paradiesisch.
Gleichzeitig gibt es ein Übermaß an Touristen, die einfach nur fordern, die nur wollen oder eben Instagram Hotspots suchen, um jeder das gleiche Foto zu machen, das hat nichts damit zu tun, an dem Ort zu sein.
Und jetzt weiß Geena auch plötzlich, woher sie die junge Frau auf dem Felsen kennt. Vom Federmäppchen ihrer Banknachbarin in der dritten Klasse. Da saß auch eine Blonde auf einem Felsen, die hatte aber einen Schwanz, oder? Hieß die nicht irgendwas mit A? A hält jetzt jedenfalls mit der einen Hand ihren Sonnenhut fest und mit der anderen ihr Handy, in das sie jetzt mit dem unglaublichsten Lächeln, als wäre es Zahnpastawerbung, hineingrinst. Dabei schiebt sie den ausgestreckten Arm mal nach rechts, dann wieder nach links und neigt entsprechend ihren Kopf. Is ja so, wenn man so komische Bewegungen sieht, dann macht man automatisch mit. Deswegen kracht es ganz kurz und Holly sagt „Aua“. Und Wally sagt irgendwas wie „Ob sie weiß, dass sie eigentlich eine Meerjungfrau ist?“ und noch was von Synchronizität, Resonanz, Affinität und Prinzip.
Nun ist A wohl ganz zufrieden mit ihrem Aussehen und ganz kurz davor, das Bild zu schießen, mit dem sie viral gehen könnte – wenn da nicht die Welle wäre, die sie ebenfalls wiedererkennt, sie umarmen möchte und sich deswegen kurz mal aufplustert. „Swosh“ macht es – und weg ist sie. Zurück bleibt der durchaus malerisch anzusehende Felsen, jetzt in nass.
Ich will damit ja gar nicht sagen, dass man keine Fotos machen darf, aber es ist immer der Unterschied. Mache ich das Foto ohne Ortsangabe für mich, um für mich die Energie festzuhalten in einer gewissen Form als Erinnerung? Und die kann auch geteilt werden. Und trotzdem erlebe ich die Orte und die Energie auf Hawaii jedes Mal neu und anders.
Und das ist genau das, was ich auch durch die Körperarbeit so intensiv gelernt habe. Auch du, wenn wir zusammenkommen, bist jedes Mal eine andere. Und diese feinen Nuancen zu spüren: Was braucht es jetzt? Manchmal mag es intensiver sein, dann braucht es wieder mehr an Langsamkeit, um das System runterzufahren, weil um das geht es ja, das Nervensystem wirklich wieder auszugleichen. Die Lebenssäfte in Fluss zu bekommen.
Unser Lebensweg ist ja ein Fluss, der uns irgendwo hinträgt, manchmal an Orte, die uns im Ersten so überhaupt nicht gefallen, die Umstände, die Strömungsgeschwindigkeit, was auch immer. Und diese Ruhe in uns zu haben, egal wo wir sind, das ist für mich ein ganz wesentlicher Aspekt.
Das geht nicht von heute auf morgen. Vor allen Dingen dann nicht, wenn man es erwartet. Das ist auch so, wenn man immer nur den Flow erwartet, das kann es nicht sein, weil dann würde der auch seine wundersame Wirkung verlieren, wenn wir permanent im Flow wären.
Alle blicken auf A, die von der Welle liebevoll und energiegeladen auf Händen an die Kaimauer getragen wurde und dort jetzt statt dem Lächeln ein paar Fragezeichen im Gesicht hat.
Wally: Is schon weird, wie einen die Natur so manchmal auf was aufmerksam macht. Schaut mal, die beiden sind eindeutig eins. Einser geht gar nicht.
Wie ein begossener Pudel steht A tropfend auf, schüttelt dem großen Meer so ganz und gar nicht damenhaft die Faust entgegen, während sie selbst ebenfalls Salzwasser produziert und ihr Tränchen über die gerougten Wangen laufen. Was sie selbstverständlich nicht posten kann, weil, tja, warum …
Susanne: Es geht ja nicht darum, auf etwas hinzuarbeiten oder etwas leisten zu müssen. Da sind wir wieder beim Spüren. Der Schritt, um es zu spüren, was auch immer, gell, was für dich dieses Einssein bedeutet, ist oft so gering, dass man das in dieser alltäglichen Todo-Liste – des und des und dann bin ich dort und dort – oft gar nicht geistig fassen können, dass es wirklich so einfach ist. Und das ist für mich das Faszinierende dran.
Marys Rauchwolken, die mittlerweile mächtig viel Spaß haben, zeichnen das Bild eines grauen Hinterhofes an das blaue Dach, verdichten sich und öffnen sich wieder, um gleich darauf zu einem liebevoll gepflegten Garten zu verschmelzen.
Susanne: Siehst du, da ist so viel an Magie, an Wunder des Lebens spürbar und sichtbar. Dann wird dir einfach bewusst, wie wenig es oft braucht, um das wieder zu sehen oder zu spüren.
Einatmen, ausatmen. Sitzen und schauen.
Zum Beispiel auf das patschnasse und nun körpereng anliegende Kleid von A, auf dessen Rücken sich an exponierter Stelle ein Tattoo abzeichnet.
Susanne: Das erinnert mich an was.
Is schon so, manchmal erinnert einen was an was ganz anderes. Dann nimmt man das einfach trotzdem.
Ich hab die Lomi am Beginn in Wien gelernt. Dann besuchte ich auch Workshops, wo du mitten im Wienerwald die Chance gehabt hast, in einer Hütte zu wohnen, alle gemeinsam unter einem Dach. Unsere Lehrerin (eine Hawaaiianerin) hat gesagt, ja, wir sollen in der Früh spüren, auch wenn wir in die Natur rausgehen, halt ganz achtsamer mit allem umgehen und ich bin in den Wald reingegangen. Ich hab innerlich gefragt, ob ich da jetzt reingehen darf. Der Himmel war bewölkt und mittendrin so ein richtiges Spotlight. Wie in einem Kitschfilm, wenn Sonnenstrahlen in den Wald fallen. Dann war da zuerst Nebel, der sich verzogen hat, und in diesem Lichtkegel ist ein Hirsch gestanden.
Und was für einer! Weiß auf blau entsteht die imposante, muskulöse Gestalt des mächtigen Tieres. Die Omas nicken wissend. Deutlicher kann die Antwort nicht sein.
Wir haben uns ganz lange angeschaut, der Herrscher des Waldes und ich. Das bleibt einfach in Erinnerung, weißt du, es ist so. Wenn du die innere Ruhe hast, auf eine Antwort zu warten oder sie auch zu akzeptieren, egal wie sie ausfällt. Oder so, wie wenn dir auf dem Weg ins Büro mitten in der Stadt so kleine Federn vor die Nasen fallen und vor deinen Füßen herumtanzen, mich fasziniert sowas.
Weil es mich aus dem gewohnten Denken rausbringt. Oder mir wieder mal zeigt, es ist wieder mal Zeit, in die Tiefe zu schauen oder das Kleine auch zu beachten und nicht immer nur auf das Große zu warten. Ich glaub, wir brauchen bald einen Regenschirm.
Da ist es, das Thema, das alle fünf Anwesenden miteinander verbindet. Und so langsam beginnt die Umgebung damit, zu verschwimmen, als hätte der WasserfarbenKünstler zufällig sein Bier umgestoßen.
Wally: Was ist denn das für dich? Wasser? Du postest ja immer wieder deine Bilder, die berühren mich fast alle. Aber die, die mich am meisten berühren, ist deine Sichtweise aufs Wasser. Und auf die Dinge, die halt dann so entsprechend drin sind oder nicht, also Steine oder so.
Susanne: Ja, was ist das, Wasser? Wasser hat mehrere Bedeutungen. Das sind die Wässer in uns, die uns einfach bewegen, ob das der Blutkreislauf oder der Lymphkreislauf ist. Das ist nun mal Flüssigkeit, die gut im Fluss sein sollten, damit wir, damit das System Mensch gut funktioniert.
Wasser ist immer ein Element, wo es um Gefühle geht, wo es um Ängste geht, wo es um Tiefe geht. Wo es um Getragensein geht, wo du das ganze Gefühlsspektrum hast. Und, so sehr wir es uns wünschen, so sehr haben viele davor Angst. Sie können sich nicht vorstellen, getragen zu sein, oder sie trennen sich auch vom Wasser.
Ich mein, das war für mich im Pazifik schon eine Riesenherausforderung, zu wissen, dass es da 6000 Meter runtergeht und ich, ja, ich kann schwimmen, ja, ich weiß, aber diese mentale Geschichte, wenn ich da jetzt untergehe, dann, dann ist es weit, weit, weit, weit, weit weiter. Und gleichermaßen dort dann zu spüren, das Wasser ist nicht dunkel, es ist blau, ein Blau, das ich noch nie gesehen hab, aber das ist halt der Pazifik. Und unter Wasser die Wale zu hören wie eine Klangbehandlung am ganzen Körper, das ist, das kann man sich nicht vorstellen, wenn man es nicht vorher gespürt hat.
Und tatsächlich erreichen erste Tropfen tanzend die trockene Erde und streicheln und tränken sie sanft (während die meisten der Spaziergänger und SM-Fotografen sich alles Mögliche über den Kopf halten und aufgeregt wie die Hühner in alle möglichen Richtungen davonstieben).
Wally: Wollen wir reingehen?
Susanne: Nana, du, das passt wunderbar und das Wasser ist natürlich. Die Hawaiianer sagen auch nicht, es regnet, die nennen das ein Blessing.
Da sind wir wieder bei den äußeren Umständen, gell? Die sind, wie sie sind. Wenn ich nur drüber jammere oder drüber schimpfe oder dagegen ankämpfe, werden sie sich nicht ändern. Aber wenn ich mich ändere, dann ändert sich vielleicht das Außen auch wieder, weil wenn wir von einer Verbindung reden, dass alles miteinander verbunden ist, dann zeigt uns das Außen mehr, vielleicht auch unser inneres Chaos.
Wally: Und da ist es wieder: Go with the flow.
Susanne: Ein paar Stromschnellen später ist er wieder da. Ein Wasserfall kann für jemanden, der oben steht und runterspringen springen sollte oder müsste, furchterregend sein. Und für denjenigen, der schon unten ist und sich abkühlt unter dem Wasserfall, ist er die Erfüllung. Also es ist alles von beiden Seiten zu betrachten und dazwischen gibt es aber auch noch die Frage, was ich im Zeitpunkt des Fallens sein möchte.
Holly: Das ist interessant. Da steckt so gar kein „Entweder-Oder drin, mehr viel an „Sowohl - als auch“.
Susanne: Das ist sowieso eines meiner Lieblingsmottos. Das begleitet mich schon mein ganzes Leben. Ich bin oft gefragt worden, warum hast du nicht aufgehört mit der Bank, warum machst du nicht nur das? Weil ich eben sage „sowohl als auch“. Ich habe meinen Beruf, der mich ernährt, der mir die Freiheit gibt, meiner Berufung zu folgen. Wenn es mir nicht gut geht, muss ich es nicht machen, denn sonst bin ich dort in der gleichen Spirale aus Überlebenszwang und Existenzängsten, und das passt für mich in dem Fall nicht wirklich zusammen.
In jedem Leben gibt es Bereiche, wo du vermeintlich unter Anführungszeichen etwas tun musst. Wie aufstehen, dir dein Essen kochen, dich selbst körperlich versorgen oder Familienmitglieder. Das ist ja genauso ein Tagesablauf, der einen fordern kann, genauso wie ein Job. Aber auf Hawaii habe ich auch gelernt, das in Freude zu tun. Miteinander zu lachen. Dazwischen einmal ein Hula zu tanzen, Emotionen zu verarbeiten. Das macht alles so viel lebendiger! Wenn ich die Arbeit nur abarbeite, dann bin ich zum Schluss auch abgearbeitet.
Alle reden immer von dieser Work Life Balance. Erstens stört mich schonmal, dass es Work Life statt Life Work Balance heißt, aber in Wahrheit ist es gar nichts anderes als eine Trennung.
Diese Trennung entbindet mich von der Frage, ob der Job, den ich mache, der für mich richtige ist. Ist er Teil meiner Berufung oder bringt er mich weiter auf meinen Weg? Das können ja mehrere Jobs sein.
In meinem Bankjob hatte ich schon immer mit Menschen zu tun gehabt. Ich habe in meiner Führungszeit irrsinnig viel gelernt. Und ich habe mich bewusst entschieden, es wieder sein zu lassen, weil ich gemerkt hab, dass es tut mir nicht gut, weil ich dort nicht agieren konnte, wie ich es als Mensch für mich in der Führung richtig verstanden hatte. Weiterentwicklung bedeutet, dass man immer wieder Entscheidungen zu treffen und eben auch in solchen Situationen zu spüren hat. Bin ich das?
Jede Weiterentwicklung, egal was man lernt, bringt dich irgendwann an den Punkt, wo du sagst „jetzt bin ich durch, ich brauche jetzt niemanden mehr, der mir sagt, wie das geht, sondern ich brauche den Nächsten, der mir wieder was beibringt.“ Der Kreislauf fängt immer wieder von vorne an. Und das bringt uns wieder zum Wasser. Dieses zu glauben, dass die Reise irgendwann zu Ende ist. Sie ist es wahrscheinlich nie, auch dann wahrscheinlich nicht, wenn wir unseren letzten Atemzug machen.
Und wenn man diese Neugierde behält im Leben, glaub ich, dann ist es egal, ob man jetzt 50 oder so wie ich bald 60 oder dann 70 wird. Man passt sich wieder an. Was ist jetzt für mich wichtig? Und die Frage muss man sich, glaube ich, ja ganzes Leben lang stellen.
Wally: Ist es das, was die Lomi machen kann?
Susanne: Ja, auch weil sie dich einfach ganz sanft körperlich spüren lässt. Unterschiede zum Beispiel zwischen links und rechts oder Unterschiede zwischen dem, wie du glaubst, dass du dich fühlst und wie du dich dann vielleicht wirklich fühlst. Wenn du diese innere Zufriedenheit und Dankbarkeit über das, wie es gerade ist, spürst, dann machst du für dich automatisch, dass es dir besser geht, dann machst du andere Schritte. Automatisch. Das braucht dann niemand sagen. Es muss dann niemand sagen, du solltest, du müsstest, sondern du spürst dich dann ja wieder intensiver. Du bist vielleicht eine Mutter von 3 Kindern, die nur im Radl rennt, und du wirst automatisch dann irgendwann, wenn die Kinder alle versorgt sind oder im Kindergarten und Schule, nicht sofort die Wohnung putzen, sondern dich zuerst einmal um dich selber kümmern. Du setzt andere Prioritäten. Das heißt übrigens nicht, dass du dann gar nicht mehr putzt, nur eben später ohne schlechtes Gewissen, weil du dich verstehst.
Wenn ich auf mich schaue, erst dann kann ich wieder für andere da sein. Und das ist mit allem so. Es ist im Grunde eine Burnout Prophylaxe, wenn du es so nennen willst, weil man brennt ja sonst aus. Wenn ich mich nicht um mein „Wasser“, um meine Gefühle kümmere und auch mal Zeit zum Weinen hab oder zum Lachen. Das sind ja alles Prozesse im Körper, die die Bandbreite des Wohlfühlens breiter machen. Aber wenn ich bis auf die letzte Rille runter renn und dann mich wunder, wenn ich runterfall …
Einatmen. Ausatmen. Sitzen, am Glas nippen und schauen. A hat mittlerweile entdeckt, dass sie in ihr Handtuch auch reinschnäuzen kann und eh schon pitschnass ist, weshalb sie nicht mit den anderen mithetzen muss, sondern in aller Ruhe einpackt.
Wally: Also, wenn sie das alles aufgezeichnet hat und postet, dann geht sie viral …
Geena: Was ist eigentlich deine Berufung?
Susanne: Menschen zu berühren ist sicher eine meiner Berufungen. Das Spannende ist, dass mir das schon in sehr, sehr jungen Jahren, i glaub, da war ich 9 oder 10, einmal eine Frau auf den Kopf zu gesagt hat.
Meine Berufung ist einfach zu berühren, damit du selber für dich auch die Berührung findest. Mit Berührung meine ich, was dich rührt, was dich wieder spüren lässt, wo der nächste Schritt ist.
Sitzen und unter dem Sonnenschirm in den echten Himmel linsen, auf dem sich alle zufällig in der Gegend gewesenen Wolken zusammengefunden haben, denn sie freuen sich, dass jemand sie mal mag und sie sogar als Segen betrachtet.
Wally: In das Gespräch gestartet sind wir mit der Frage „was braucht's heute“.
Susanne: Jetzt momentan definitiv den Schirm. – Ich finde es gerade total herrlich, wie das zu unserem Gespräch passt. Resonanzprinzip.
Du stehst im Wald, denkst dir was, es ist windstill und die Blätter rascheln plötzlich zustimmend. Das passt einfach, die Natur, antwortet dir. Ich krieg die Gänsehaut, weil ich einfach total dankbar bin, dass ich diesen Weg gehen darf. Er war nicht immer einfach und er wird es in der Zukunft nicht immer sein, nur man wächst.
Das wollen die Leute zwar auch nicht hören, aber du wächst an deinen Herausforderungen. Ich hätte mir früher nie gedacht, dass ich Menschen im Trauerprozess begleiten kann mit der Körperarbeit. Da kommen natürlich viele Tränen, sind wir wieder beim Wasser. Aber wenn ein Mensch in Trauerphasen fähig ist, Berührung zuzulassen, dann macht er sich selbst das größte Geschenk, weil er die Stagnation im Körper gar nicht manifestieren will, sondern sich wieder dem Fluss des Lebens hingibt. Und das ist eine Entscheidung, die großartig ist, die ist nicht leicht.
A verlässt die Kaimauer, vielleicht sogar mit einem (diesmal echten) Lächeln im Gesicht. Schade eigentlich. Traurig sieht ihr die Welle, die in Anteilen auf dem Trottoir rumliegt, nach und weiß: A wird wiederkommen.
Die Lomi hat als oberstes Gebot zum Beispiel auch, dass ein Mensch, der eine neue Aufgabe annimmt, so lang geklärt und gereinigt werden soll, bis er frei ist, sodass er nichts Altes mitschleppt. Das ist für mich ein total schönes Sinnbild. In der buddhistischen Tradition hast du dieses „leer werden“. Jeder hat einen anderen Begriff dafür, aber im Grunde geht es ja darum, etwas wieder wertfrei zu sehen, weil nur, wenn ich etwas wertfrei und ohne Erwartungen sehe, sehe ich das ganze Spektrum, was möglich ist.
Die Strandpromenade ist leergefegt. Die Brandung schlägt weiterhin rhythmisch an die Kaimauer und schwemmt mit dem Regen alles Schwere fort.
Nur dort, unter dem quietschblauen sowohl Sonnen- als auch Regenschirm, sitzen vier Frauen und ein Mädchen und giggeln. Die Köpfe zusammengesteckt weben sie den bunten Blumenkranz, den Lei des Lebens.
Ich war mal A. Und Susanne hat mich in dieser abenteuerlichsten Phase meines Lebens mit ihrer Auffassung von LomiLomi begleitet – sogar über mehr als 1000 km Entfernung hinweg. Was jetzt jedem einleuchten müsste, schließlich waren wir in Wahrheit beide auf Hawaii.
In der dringend nötigen Sommerpause haben wir das Gespräch miteinander gesucht. Jede durfte eien andere interviewen. Herausgekommen sind sechs tiefe und berührende, und wie in meinem Fall, durchaus transformierende Gespräche. Danke!
Christine Ubeda Cruz, Frau vom Main, schickt Marcel Proust auf Zeitreise und interviewt stattdessen mich
Claudia Kaleita, ClaudiaKaleitaMoments, malt ein Portrait in Worten und zwar von Evelyne Peters
Marion Völger, Silent Moves, hat sich mit Claudia Kaleita auf den Fragebogen-Parcour begeben
Susanne Öhlschläger, Finde deine Spur begegnet Marion Völger
Fotografin, die deine Authentizität festhält
Und zusammen sind wir so kraftvoll, laut, leise, mächtig, schwach, berührend...
Und du kannst dabei sein. An jedem Monatsersten nehmen wir dich mit zum nächsten Schritt auf deiner Heldinnenreise.
Schau dir die ganz unterschiedlichen Texte an!
Lass dich von sechs starken Frauen beraten, inspirieren, ermutigen. Du findest bei jedem neuen Artikel jeweils auf die Blogartikel der anderen verlinkt.
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Hey, Sista: Ich würde gerne mit dir in Verbindung bleiben. Du auch?
Ab 2023 schreibe ich regelmäßig Newsletter - mit Hinweisen auf spirituell-spirituöse Neuigkeiten ausm omaschen Bloghaus und - NEW!!! - Veranstaltungen zu meiner Welt / in meiner Welt???
Wie z.B. ENDLICH DIE WANDERUNG ZU "EIN BUCH, EIN GEBIRGE UND DER FLUSS DER SCHÖPFUNG".
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(bestimmt folgt auch bald ein besseres Wort als Newsletter...)