Die fulminante Schreibcoach Gela Löhr, wuide und unerschütterliche Herausgeberin von LEMONDAYS, dem einzig wahren Onlinemagazin zu den Years of Change, den sogenannten Wechseljahren, hat zur Blogparade geblasen!
Ich habe den Ruf gehört!
Das lasse ich mir doch nicht entgehen. Zumal bei diesem Thema:
"Weibliche Role Models - wer uns inspiriert und ermutigt"
Wer sollte darauf besser eine Antwort wissen als meine female role models, meine Urgroßmütter nämlich!
Es kam nur ganz anders.
Zwar haben wir an einem wunderschönen Sonntag Nachmittag am Badesee gemeetet, ich habe mein Anliegen vorgetragen, erklärt, warum Role Models, also Vorbilder, so wichtig sind. Oma Wally hat mit gespitzten Lippen genickt, Oma Holly weitergelesen und Oma Mary am Hörgerät genestelt. Dann sind sie aufgestanden und Kaffee trinken gegangen. Aha.
Tante Alexandra indessen schlief ein.
Und Tante Alexandra hatte einen Traum. Ach, was sag ich, sie hatte viele Träume. In letzter Zeit allerdings ausschließlich solche, bei denen man sich fragt, ob man die doppelte Portion Zaziki mit extra viel Knoblauch am Vorabend echt noch gebraucht hatte.
Seltsamerweise (und ihr wisst, was es bedeutet, wenn etwas seltsam ist - nein? Dieses "Seltsam"-Gefühl ist eigentlich sowas wie ein Vorfahrt-achten-Schild nur in, hm, Klängen. Das kann man gut daran bemerken, dass da in einem was ist, das sagt "hier stimmt was bedenklich sehr" oder wie die Alten sagen "luz amoi" = "hör mal genauer hin") seltsamerweise also handelten ihre Träume nur von Frauen, die eines gemeinsam hatten: Sie waren stark.
Einige Träume handelten von Frauen, die in absoluter Freude und Lust und völlig eins mit sich und der sie umgebenden Welt in bunt geblümten Wiesen umhertanzten - immer beinahe wie somnambul darauf bedacht, die heilenden Blüten, zwischen denen sie sich bewegten, nicht zu zerbrechen. Weiß gekleidet waren sie, verschwammen in den tränkenden Nebeln des nahen purpurglänzenden Flusses, und verschmolzen mit dem silbern glänzenden, allein die pure Schönheit des sich genügenden Ichs spiegelnden Reif auf den unzählig sattgrünen Blättern.
Tante Alexandra mochte dieses Ringelreih ihrer weisen Alten. Sie fühlte sich, ach, was sag ich, sie WUSSTE sich eingewoben. Gehalten. Getragen und mitgenommen im Tanz der Schöpfung.
Dann wieder träumte sie Träume von Pyramiden. Sie blickte an sich hinunter und sah ihre Wurzeln. Wie sie sich tief hineingruben in Andere. Schultern ihrer Großmütter, auf denen sie stand. Sicher. Fest. Unumstößlich wie auf hartem Felsgestein.
Und die wiederum standen auf anderen. Und die wieder auf anderen. Eine sich aufbäumende Klippe. Ein Wehrwall aus weiblicher Kraft. Verwoben. Gehalten. Getragen. Eine Trutzburg des "Ich bin" und Schutzwall der tief empfundenen Gewissheit des "Ich bin genug".
Manchmal träumte sie aber auch gar nicht. Das heißt, nicht im herkömmlichen Sinne. Da kam sie vielmehr unbedarft in die Küche, traf auf ihre Großmütter und glaubte zu träumen. Das war eindeutig häufiger der Fall und war durch nichts zu beeinflussen.
Also, nicht, dass es nicht auch eine unter ihren Urgroßmüttern gab, die über Wiesen tanzte oder eine andere, die angstlos auf Schultern kletterte - ihre Großmütter waren da sehr flexibel und vor allem einfach nur da. Präsent. Immer. (Naja, beim seltenen Sex nicht - das wäre ja auch noch das Schönere gewesen).
Sie füllten die sie umgebende Realität, gleich ob Wiese oder nicht, einfach aus. Sie waren einfach. Da.
Tante Alexandra erinnerte sich da zum Beispiel an Plastiktüten der Phantasie.
Eine davon war voll mit Streichholzschachteln. Die konnte man in unendlicher Reihe zusammenfügen und eine neue Welt daraus bauen. Immer. Wieder. Neu.
Dass diese Tüte den Geschmack von Eierlikör und Chips trägt, ist meine ganz persönliche Erinnerung. Und erfüllt mich nach wie vor mit tief empfundener Dankbarkeit und Stolz.
Eine andere Tüte war voll mit Handpuppen. Kasperl, Sepperl, Teufel und Wachtmeister. Ein Universum voller holy wood Drehbüchern. Die ERLAUBNIS, meine Welt zu erschaffen. Die Gewissheit, dass alles darf und doch nichts muss.
Außer vielleicht Kaugummi kauen. Wobei das kuhige Wiederkäuen nicht das Problem war, eher das den Kaugummi unter den Tisch kleben - und doch. Ich erinnere mich an Nachmittage unter dem Küchentisch mit einem bunten Sternenhimmel aus rosa und blauem festgepressten Gummi.
Ich erinnere mich sogar an wilde Cowboy-Ritte auf den Rücken meiner Urgroßväter, nur damit sie hier einmal erwähnt werden, denn sie gehören dazu. Haben sich dem Weiblichen hingegeben. Haben Hingabe verstanden. Wofür ich ihnen dankbar bin. Denn auch ich, Tante Alexandra, bin froh, wenn ich das schaffe. Hingabe.
Ich merke, sie werden unruhig. Dabei wäre noch so viel zu erzählen. Von der Oma-Queen am Fenster, deren handbewegter Segnung ich mir immer gewiss sein durfte. Von explodierten Johannisbeerweinflaschen, die mindestens über 50% hatten, wo ich soviel von meinem, jetzt angewandtem Humor lernen durfte (NICHT von den Flaschen). Von unendlich feinen, gut platzierten Weisheiten, die mich zu dem gemacht haben, die ich hier und jetzt bin. Von Streit und Auseinandersetzung und Wortkampf. Von dem Gespür für das Wort. Von der Magie des Wortes. Von der Magie des Lebens. Vom Hier und Jetzt. Von altersschwachen Armen, die im entscheidenden Moment trotzdem stark genug waren, um mir die Hand zu halten.
Vielleicht, so denkt Tante Alexandra gerade, bin ich nur die, die ich jetzt bin, weil sie da waren. Im entscheidenden Moment. Hier. Und jetzt.
Und sie öffnet schlaftrunken die Augen.
Auf sie zu kommen, hier am Strand des unendlichen Lebens, drei, hm, Walküren.
Jetzt.
Um genauer zu sein: in Zeitlupe.
Wehende, wirre graue Locken, die in wirklich alle Richtungen abstehen.
Aufrecht.
Kraftvoll.
Fersen voll in den Boden gehackt.
Wind, der die Haare fotogen nach hinten weht.
Im Gesicht ein echtes, strahlendes, gewinnendes Lächeln.
Der Wind of Change ist ein Scheißdreck gegen diese Kraft.
Pink Badeanzug und voll - wie hieß die Serie mit den Lebensrettern am Meer noch gleich? - ja, richtig, Bay Watch! Weniger Hasselhoff, mehr Charlize Dings. Und nicht mehr ganz so blond. Mehr so silber.
Auf jeden Fall alle drei nebeneinander.
Wie eine Wand.
"Ja. So bin ich", denkt Tante Alexandra. Sie weiß es sogar. Weil sie es in jeder einzelnen Zelle fühlt.
Und sie fühlt noch was. Sie fühlt Stolz.
Sie?
Spross dieser ungebändigten, weiblichen Kraft?
Ja.
Ja. Sie. Trägerin der weiblichen Kraft.
"Und jetzt zeig ich euch mal, was so ein ECHTES Role-Mädel ist!"
Damit springt Bloody Mary auf (wir konstatieren: das Hörgerät ist mal wieder aus, das hindert sie aber nie daran, ihre Philosophie dazu zu geben).
Und ja, es sieht seltsam aus, wie sie da mit ihren schwarzglänzenden Lackschuhen, aus denen heruntergerollte strahlend weiße Kniestrümpfe, die eigentlich in speckig braunen Hosen enden sollten, durch den Sand stapft. Dann steckt sie den wildgelockten Kopf auf den Sand, hebt die ultramarinpinken Rockschwänze in die Höh und schlägt, von fröhlich und frei lachenden Kindern begleitet, Purzelbaum um Purzelbaum.
That's life, Sistas, das ist das Leben. So habe ich es von meinen Urgroßmüttern gelernt und so gebe ich es weiter.
Ein ganz besonderer Dank geht an Julie Dillon, deren Bild "The Daughter of the Daughter of my Daughter" meinen Beitrag schmückt und meine Überzeugung absolut treffgenau abbildet. Danke von Herzen für die Erleubnis! - Julie ist die wohl ausdrucksstärkste Fantasy-Malerin, die ich je getroffen habe. Es lohnt sich in ihrem Portfolio zu baden!